2021

Die neue Auskunftspflicht nach § 32d UrhG n.F. – Urheberrecht wird zum Compliance-Thema

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von Dr. Stanislaus Jaworski und Dr. Julian Waiblinger

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Die Neufassung des § 32d UrhG regelt seit dem 7.6.2021, dass Vertragspartner von Urhebern diesen mindestens einmal jährlich Auskunft über den Umfang der Nutzung der Werke des Urhebers zu erteilen haben. Betroffen sind beispielsweise Fotos, längere Texte, Grafiken und Designs, aber natürlich auch Filme, Spiele und Musik. Eben alles, was urheberrechtlich geschützt ist. Es handelt sich hierbei nicht um einen Anspruch, sondern um eine Pflicht, welcher die Vertragspartner unaufgefordert nachzukommen haben. Ausnahmen zur Auskunftspflicht gelten nur in engem Rahmen. Eine Einhaltung der Pflicht – nicht nur gegenüber einzelnen Urhebern, sondern gegenüber ganzen Urhebergruppen – kann gerichtlich von Urhebervereinigungen durchgesetzt werden. Was folgt hieraus für Unternehmen?

Für wen gilt die Auskunftspflicht?

Der Auskunftspflicht (vereinzelt auch Berichtspflicht oder Transparenzpflicht genannt) unterliegen alle Vertragspartner von Urhebern und auch ausübenden Künstlern, wenn sich diese entgeltlich Nutzungsrechte haben einräumen lassen. Eine Ausnahme gilt für Computerprogramme: Gegenüber den Urhebern dieser gilt keine Auskunftspflicht.

Worüber ist Auskunft zu erteilen?

Über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile. Also etwa, in welchen Zeiträumen ein Text online abrufbar war. Da die Erfordernisse an die Schutzfähigkeit im Urheberrecht niedrig sind, unterfallen auch vergleichsweise banale Werke, wie etwa längere Werbetexte oder Imagefotografien, dem Urheberrechtsschutz und damit auch der Auskunftspflicht. Der Aufwand bei Erfüllung der Auskunftspflicht dürfte für viele Unternehmen auf Grund der sehr hohen Zahl genutzter Werke immens sein.

Ab wann ist zu berichten?

Gemäß § 133 III S. 1 UrhG ist in Bezug auf vor dem 7.6.2021 abgeschlossene Verträge über alle ab dem 7.6.2022 erfolgende Nutzungen zu berichten. Da erstmals nach einem Jahr zu berichten ist, ist der erste Bericht für solche Altverträge am 7.6.2023 fällig. Egal ist, wann der Vertrag über die Einräumung von Nutzungsrechten mit dem Urheber geschlossen wurde (Ausnahmen hiervon gelten nur im Filmbereich). Somit findet die Auskunftspflicht auch auf Verträge mit Urhebern Anwendung, die lange vor dem 7.6.2021 geschlossen worden sind. Insoweit greift eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkung. In Bezug auf ab dem 7.6.2021 geschlossene Verträge (Neuverträge) gilt die Schonfrist nach dem Wortlaut des § 133 III S. 1 UrhG nicht. Jedoch scheint dies mit Blick auf Sinn und Zweck der Schonfrist und dem im Regierungsentwurf geäußerten Willen des Gesetzgebers einer Gleichbehandlung von Alt- und Neuverträgen ein redaktionelles Versehen zu sein. Daher muss auch auf Grundlage von „Neuverträgen“ erst ab dem 7.6.2023 Auskunft erteilt werden.

In welchen Fällen besteht keine Auskunftspflicht?

Die Auskunftspflicht ist gemäß § 32d II UrhG ausgeschlossen bei nachrangigen Beiträgen (jedenfalls in der Regel) und sonstigen Fällen, bei denen eine Inanspruchnahme des Vertragspartners aus anderen Gründen unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen aus der Werknutzung stünde. Der Auslegung dieser Verhältnismäßigkeitsklausel dürfte bei der Anwendung der §§ 32d und 32e UrhG n.F. entscheidende Bedeutung zukommen.

Was droht bei Missachtung der Auskunftspflicht?

§ 36d UrhG sieht einen Unterlassungsanspruch bei Nichterteilung von Auskünften vor, der durch Urhebervereinigungen geltend gemacht werden kann. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist gemäß § 36d I S. 1 UrhG, dass der Werknutzer Urhebern in mehreren gleich oder ähnlich gelagerten Fällen Auskünfte nach § 32d UrhG nicht erteilt. Urhebervereinigungen können Unternehmen damit gerichtlich verurteilen lassen, ihre Auskunftspflicht auch tatsächlich einzuhalten. Bei Missachtung derartiger Urteile drohen Ordnungsgelder. Vor allem drohen Unternehmen bei Unterliegen in Gerichtsprozessen um ihre Auskunftspflichten Imageschäden.

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

1. In einem ersten Schritt sollten Unternehmen prüfen, in welchem Umfang sie überhaupt urheberrechtlich geschützte Werke nutzen und die erforderlichen Nutzungsrechte über Verträge direkt mit den jeweiligen Urhebern beziehen.

2. In einem zweiten Schritt sollte geprüft werden, ob das Unternehmen sich auf einen Ausnahmetatbestand, etwa lediglich nachrangiger Beitrag des Urhebers und/oder mangelnde Verhältnismäßigkeit der Auskunftspflicht, berufen kann.

3. Anschließend können Unternehmen entscheiden, ob bzw. in welchem Umfang ab dem 7.6.2023 gegenüber Urhebern Auskunft erteilt werden soll.

4. Sofern Auskunft erteilt werden soll, muss hierzu ein effizientes System aufgesetzt werden, welches Personal und entsprechende Softwarelösungen erfordern wird.

Sprechen Sie uns bei Fragen zum neuen § 32d UrhG gerne direkt an (info@nordemann.de). Wir haben die Reform des Urheberrechts für einige unserer Mandanten beratend begleitet und verfügen über langjährige Erfahrung in Bezug auf die Verteidigung von urheberrechtlichen Auskunftsansprüchen.

Lesen Sie zudem den juristischen Fachaufsatz zum § 32d UrhG von Rechtsanwalt Dr. Stanislaus Jaworski in der GRUR-Prax, Heft 14/2021 (GRUR-Prax 2021, 398). Gerne können Sie sich auch bei unserem Webinar am 25. November 2021 zur neuen Auskunftspflicht ausführlicher informieren: https://www.edudip.com